Konradin oder Interregnum

Konradin oder Interregnum - Brettspiel / Strategiespiel von Gerhard H. Kuhlmann

Das heilige Reich zerfällt

Kein Spiel für eine Nacht

Heute Abend hatten wir die Gelegenheit mit dem Autor Gerhard Kuhlmann das Spiel "Konradin" zu spielen. An dieser Stelle soll ein erster Eindruck des Spieles zu lesen sein, weiter unten folgt ein zweiter Eindruck, wenn wir es noch einmal mit ihm spielen können. Das Spiel ist sehr komplex, man kann es nicht eben mal herunterspielen.

Wir schreiben das Jahr 1256, Deutschland ist in viele kleine Fürstentümer, Herzogtümer und Grafschaften unterteilt. Die Spieler vertreten je einen Fürstenhof, der über verschiedene Städte, Burgen und Dörfer gebietet. Jeder Spieler hat fünf Töchter, die es zu verheiraten gilt und fünf Männer, die entweder eine klerikale Karriere anstreben können oder im Kampf ihren Mann stehen. Wer die klerikale Karriere anstrebt kann später auch Armeen befehligen, muss aber erst zehn Monate ins Priesterseminar gehen. Gespielt wird im Rundenrhythmus, Monat für Monat, Jahr für Jahr. In jedem Monat wird eine neue Zugreihenfolge aufgedeckt, so dass nicht immer der gleiche Spieler beginnt. Im April eines jeden Jahres kann man Armeen ausheben. Jeder Ritter will natürlich Sold haben, 50 Mark pro Kopf. Ein Heer mit 1000 Rittern kostet also 50.000 Mark. Da man am Anfang einer Runde nur 100.000 Mark erhält, kann man sich nicht immer alles leisten, was man sich gerne leisten würde. Reihum rekrutieren die Spieler erst Armee I, dann II und zum Schluss III. Mehr Armeen darf man nicht führen. Jede Armee, im Spiel Pulk genannt, kann sich pro Monat ein Feld weit bewegen. Armeen mit nur 50 Ritter, die man einsetzten sollte, um heiratswillige Damen oder Herren zu besuchen, können sich zwei Felder weit bewegen. Das Spielfeld ist nicht im eigentlichen Sinn in Felder geteilt, also keine Quadrate oder Hexfelder, sondern die Felder ergeben sich aus den topographischen Gegebenheiten. Eingezeichnet sind die deutschen Gebirge und Wälder, alle großen deutschen Flüsse und alle Städte mit mehr als 8.000 Einwohnern nördlich der Alpen. Die kleineren Städte, oder auch großen Dörfer, haben eine Verteidigung von 100 Rittern, die nächst größeren besitzen 400 Ritter zur Verteidigung, dann folgen 900 Ritter und die großen Städte sind fast uneinnehmbar, da man mit mindestens einer 300%igen Überlegenheit angreifen muss. Wer also eine Kleinstadt erobern will, der muss schon 400 Ritter Minimum aufbringen. Was aber wären die Heere ohne Anführer, also sollte man auch noch je Armee zwei dazugeben, denn einer könnte ja sterben, und dann müsste das Heer aufgelöst werden, da es keinen Anführer mehr hat. Das kostet nochmals den Anfangssold. Im Herbst muss man die Armeen sowieso auflösen, da die Ritter in den Wintermonaten den Sold pro Monat verlangen. Löst man den Pulk auf, ohne ein letztes Erfolgserlebnis, zum Beispiel die Eroberung einer kleinen Stadt, muss man den Aushebungssold entrichten. Wer also genug Geld scheffeln konnte, kann es sich vielleicht leisten, eine Armee auch über die dunklen Monate des Jahres zu unterhalten. Geld bekommt man wie erwähnt am Anfang des Jahres, oder wenn man eine Armee nach Italien oder Preußen verleiht. Dazu brauch man aber eine "Günstige-Gelegenheit-Karte", die man erhält, wenn man einen oder eine der Seinen verheiratet. Durch eine Hochzeit erhält man auch Verbündete, nämlich diejenigen, die dem Grafen oder Herzog, oder gar König treu sind.

Konradin oder Interregnum - Foto: Ralf BittnerSie sehen, das Spiel ist sehr komplex, bisher habe ich nicht einmal 10% erklärt. Am Anfang des Spieles erhält jeder Spieler, wie bei Illuminati, einen Auftrag, den er geheim halten sollte. So kann es sein, dass man ein starkes Heer aufstellen (4.000 oder 5.000 Ritter), oder zum König gewählt werden soll, oder eine Menge Geld anhäufen muss (500.000 Mark). Wer einen der Seinen zum Priester ausbilden will, erhält am Ende der Ausbildung einen Bischof oder gar einen Erzbischof. Mit geringfügigen Zahlungen an das Konzil und den Papst, kann man diesen Prozess verkürzen.
Während des Spiels ist es sehr wichtig, seinen Auftrag nicht aus den Augen zu verlieren. Absprachen unter den Spielern sind zu jeder Zeit erlaubt, ja gewünscht. Um zum Beispiel über einen Fluss zu gelangen, muss man in einer Stadt anfragen, ob sie einen durchlässt. Gehört die Stadt einem anderen Spieler, kann dieser, gegen ein Entgelt, oder auch kostenlos, diesem Vorhaben zustimmen. Wer bei einer neutralen Stadt anfragt muss würfeln. Auch hier kann der Klang von Silbergeld helfen. Beim Angriff auf eine Stadt werden die Würfel auch hinzugezogen. Zum einen würfelt man für den Ausgang der Schlacht. Dieser kann trotz großer Überlegenheit negativ verlaufen. In unserem Spiel widerstand die Stadt Jülich drei Angriffen, obwohl sie 5:1 an Rittern unterlegen war. Aber Herr Kuhlmann würfelte jedes Mal so schlecht, dass er gerade noch mit dem Leben seiner Armeeführer davon kam. Zum anderen würfelt man genau dafür. Im Eifer des Gefechts kann ja schon mal der eine oder andere Pfeil den Anführer erwischen. In meiner ersten Handlung, dem Sturmangriff auf eine Stadt, die Süddeutschland mit Norddeutschland verbindet, starb schon mein erster von nur 5 Männern. In der gleichen Runde ging die Stadt an Dirk, so dass ich den Angriff nicht noch einmal versuchen wollte, da ich mir seinen Zorn nicht zuziehen wollte.
Falls Sie immer noch da sind, das heißt, bis hierher gelesen haben, haben Sie schon eine Menge über das Spiel erfahren. Es ist teilweise wirklich so komplex, dass sogar der Erfinder gelegentlich in die Regeln schauen musste, weil man schließlich nicht alles im Kopf haben kann.
Die Städte, die an Flüssen liegen, befinden sich aber nur auf einer Seite des Flusses. Man kann sie also auch nur von dort angreifen. So muss man eventuell erst um Erlaubnis fragen, übersetzen zu dürfen, bevor man die Stadt angreift. Außer dem Sturmangriff gibt es auch noch die Belagerung. Diese kann man schon mit einer 150%igen Überlegenheit beginnen, und, wenn man Glück hat, auch gewinnen.

Konradin ist ein Spiel für Strategiefans und für diejenigen, die ein Spiel auch gerne einmal stehen lassen. Es dauert wirklich so lange, wie oben angegeben.
Ich bin schon auf den nächsten Abend gespannt, da wir nun alle ein tieferes, wenn auch noch nicht ein wirkliches, Verständnis des Spiels erlangt haben. Demnächst also mehr.
Nur noch eins: Das Spiel ist das Geld wert. Jeden Cent. Malte ist richtig Konradin-süchtig geworden.

Neben dem Spielwert hat Konradin auch einen hohen Geschichtsbildungswert. Wer kennt sich schon groß in dieser Epoche der deutschen Geschichte aus? Ich bisher nicht. Ich will nicht sagen, dass ich nun ein Fachmann für die Jahre 1250-1350 bin, aber ein gewisses Verständnis über das damalige Deutschland hat mir das Spiel schon gebracht. Natürlich hat nicht jeder das Glück, ein Spiel mit seinem Erfinder zu spielen. Wer sich aber die Mühe macht, die Regeln zu studieren und seine Freunde in das Geheimnis einzuweihen, der wird mit einem außergewöhnlichen Spiel belohnt.


2. Eindruck

Heute Nachmittag haben wir uns wieder mit Herrn Kuhlmann getroffen, um nun, mit voller Regelkenntnis und, anscheinendem Regelverständnis, wieder an Konradin zu wagen. Insgesamt dauerte der zweite Nachmittag/Abend ganze 10 Stunden. Und das, obwohl wir dieses Mal keine Regeln zu erklären brauchten. Zwar erhielten wir eine kurze Auffrischung, aber wir mussten nicht bei Null anfangen. Die, nicht nur bei mir vorhandene, Sicherheit, was die Spielziele und die Mittel diese zu erreichen anbelangte, verschwand allerdings schon beim verdeckten Ziehen der Auftragskarten. Musste ich im ersten Spiel noch 4.500 Ritter aufstellen, so verlangte die nun gezogene Karte quasi Unmögliches: Die Krönung zum Deutschen König. Im ersten Spiel hatte Gerd ihn gezogen und wurde so weit von mir nicht mehr beachtet. Als wir den Brabanten zum König wählten, schien alles ausgestanden, da er dieses Ziel nicht als Auftrag haben konnte. Was sollte ich nun tun? Der erste Weg sollte mich nach Frankfurt führen, aber wie früh im Spiel sollte man sich outen? Wenn ich im ersten Jahr schon die Königswahl anstrebte, hieß das nicht das Vorhaben gleich zu den Akten zu legen, da meine lieben Gegenspieler es mir nie gegönnt hätten? Außerdem brauchte ich Geld, wenn ich auf die Kurfürstenstimmen der anderen Spieler verzichten wollte. 60.000 Mark für die drei Stimmen der geistlichen Kurfürsten. Aber woher nehmen? Irgendwie war ich stets klamm. Im Gegensatz zu Cati. Sie schwamm förmlich im Gold, da sie den Osten Deutschlands beherrschte und ihre Ritter in jedem Winter nach Preußen verlieh. Die gelang auch Dirk, allerdings erst später und das Ganze nach Italien. Auch er konnte nicht über den Stand seiner Portokasse klagen. Wo mein Geld nun geblieben ist, kann ich auch nicht mit Bestimmtheit sagen. Hochzeiten kosten Geld, Heere aufstellen ebenso, aber ich hatte nie über Gebühr große Pulke. Wäre ich nun zum König gewählt worden, hätte ich 1.000 Ritter aufstellen müssen, um nach Aachen gelassen zu werden. Aber mal eben 50.000 Mark ausgeben war nicht drin. Also erst einmal Geld verdienen. Da die anderen in dieser Zeit nicht untätig herumsaßen, gab es binnen kürzester Zeit gleich zwei Könige. Zuerst ließ Malte sich als einzigen deutschen König ausrufen, kurz darauf ließ Gerd seinen Richard the Rich Gegenkönig werden. Und wo zwei sich streiten, guckt der dritte in die Röhre. Mehr als zwei Könige darf es nicht geben. Von da an war meine Taktik recht einfach: Warten bis einer der beiden abdankt. So konnte ich immerhin Geld sammeln, Ritter sammeln, Fehden beenden und mich auf die Krone freuen. Bevor ich dann aber mein minutiös geplantes Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, stellt Cati einfach mal 5.000 Ritter auf und gewinnt das Spiel. Tja, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Konradin ist kein Spiel für eine Nacht. Wer sich auf das Spiel einlassen will, sollte zwei Spiele investieren, bis es wirklich Spaß macht, da nun alle die Regeln verstanden haben. Ich kann mir vorstellen, dass unser drittes Spiel richtig gut werden wird. Das soll nicht heißen, dass wir keinen Spaß hatten. Wir hatten immensen Spaß an den zwei Abenden. Auch die eingeschobene Diskussion über den Krieg im Irak war äußerst interessant und hat uns alle zum Nachdenken angeregt.

75 Euro sind eine Menge Geld. Ich vergleiche zwar gerne den Preis von PS2 oder PC-Spielen mit den Preisen von Brettspielen und dem Spaß, den Brettspiele für, in der Regel, weniger Geld bieten, aber mittlerweile bin ich der Meinung, dass Leute, die Spiele wie Konradin spielen eher keine PS2 im Wohnzimmer stehen haben. Oder? Okay, Malte ist eine Ausnahme, aber die bestätigt ja bekanntlich die Regel. Wie dem auch sei. Wer diese 75 Euro investiert bekommt ein Spiel, das ihn und vier Freunde für mindestens 40 Stunden fesselt. Und wer mehr als vier Freunde hat, wird noch viel länger gefesselt. Malte hat schon zugeschlagen. Obwohl wir den großen Vorteil hatten, vom Autoren selbst in die Regeln eingeführt zu werden, denke ich, dass man auch ohne diesen Vorteil Spaß am Spiel haben kann und wird. Unser nächster Abend steht unter dem Motto "Rom". Wir wenden uns dem amerikanischen Spiel Republic of Rome zu.

Das Spiel ist direkt beim Verlag zu bestellen: www.Geschichtsspiele.de



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Kurzinfos

Konradin oder Interregnum

Gesamtbewertung

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Autor

Gerhard H. Kuhlmann

Verlag

Kuhlmann Geschichtsspiele

Erscheinungsjahr

1994

Spieleranzahl

2 - 5

Dauer

ca. 255 Min.

Alter

ab 16 Jahren

Preis

ca. 75 €

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