Ebbe und Flut

Hören Sie es plätschern?

Ein leeres Quadrat reizt zum Füllen. Das vorgegebene bietet Platz für 25 Karten bzw. Kartenstapel. Eine Partei bringt die Ebbe-Karten ins Spiel und die andere - möchten Sie mal raten?

Ziel ist - das Prinzip ist in etwa von Halma bekannt - möglichst zahlreiche eigene Karten von den drei Startfeldern in eins der diagonal gegenüberliegenden drei Zielfelder zu bringen. Die zu Beginn des Spiels noch leeren Startfelder der Ebbe-Partei sind zugleich die Zielfelder der Flut-Partei und andersherum.

Die je 25 Karten jeder Partei sind fast einheitlich gestaltet, allerdings mit viel Liebe zu abweichenden Details: Die Ebbe-Karten zeigen zum Beispiel manche Winkerkrabbe, die Flut-Karten manchen Plattfisch - jeweils aus der Vogelperspektive. Die den Küstensaum andeutenden Randkarten vervollständigen die Vorstellung eines sandig-schlickigen Steifens, der mal weniger und mal mehr von Meerwasser überspült wird. Genau das bewirken die abwechselnd tätigen SpielerInnen: Wer dran ist, legt genau eine seiner zufällig gezogenen Karten in ein beliebiges seiner drei Startfelder. Da beide Kartensätze von A 1 bis E 5 durchnumeriert sind, kommt es bisweilen vor, dass mehrere Karten mit gleichen Buchstaben oder gleichen Nummern in der gleichen Zeile oder Spalte liegen. Solche Dopplungen seiner Karten muss der am Zug befindliche Spieler auflösen, indem er sie um eine Position nach oben oder nach links, in jedem Fall also Richtung Zielfeld umlegt. Dabei können natürlich weitere Dopplungen entstehen, die ebenfalls aufgelöst gehören. Das geschieht keineswegs unbeabsichtigt: Im Idealfall bilden diese Auflösungen eine Kettenreaktion, die eine oder sogar mehrere Karten in eins der Zielfelder führen.

Beim Umlegen legt der Ebbe-Spieler natürlich besonders gern Ebbe-Karten auf Flut-Karten, was die Zug-Möglichkeiten des Flut-Spielers vermindert. Mitunter erfordern Spielsituationen allerdings auch, dass eine zuoberst liegende Ebbe-Karte so verschoben wird, dass eine darunter verborgene Flut-Karte wieder frei wird. Welche Sorte Karte dort liegt, darf der Ebbe-Spieler zwar prüfen, allerdings nicht, welche Nummer sie trägt.

Jeder Spieler sollte am Ende seines Zuges sehr sorgfältig prüfen, ob keine Dopplung mehr übrig ist, denn für jede, die sein Gegenspieler dann noch findet, verliert er eine als Siegpunkt zählende Karte, die er bereits ins Zielfeld und somit "ins Trockene" gebracht hat. Auch sollte er die Reihenfolge, in der er die Dopplungen auflöst, gut planen, damit er nicht genötigt ist, eine Karte statt ins Zielfeld über den Rand hinaus zu schieben, denn diese käme ohne Wertung aus dem Spiel.

So wechselt sich mit jedem Zug eine steigende Anzahl Ebbe- mit einer steigenden Anzahl Flut-Karten ab. Zwischenzeitlich überwiegen schon mal die Karten der einen oder der anderen Partei heftig, aber die jeweils unterbelichtete kommt dennoch - anders als von manchen Spielen gewohnt - meist früher oder später gut wieder ins Spiel. Ganz trocken und völlig überspült wird die Spielfläche nie.

Die zweidimensionale Planungskompetenz wird gefordert und geschärft. Für Spieler mit geringer Frustrations-Toleranz böte sich zumindest für die ersten Kennenlern-Durchgänge eine Regelvariante an, derzufolge das Aufspüren noch bestehender Dopplungen durch den Gegner dennoch nicht zum Verlust eines Siegpunktes führt. Detail am Rande: Einige Randkarten zeigen jederzeit einsehbare Skizzen, für die in der aufgrund des Verpackungs-Formats winzigen Spielregel kein Platz mehr war - pfiffig, wie hier aus der Not eine Tugend gemacht wurde.

Die nicht all zu stabile winzige Verpackung lädt dazu ein, Ebbe und Flut auf Reisen mitzunehmen. Allerdings steht das erforderliche Mindestmaß an Spielfläche in der Eisenbahn meist nicht zur Verfügung.

Ebbe und Flut kann auch solitär gespielt werden, das hat der Rezensent allerdings nicht ausprobiert.

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