Chez Goth

Das WG Spiel über die "schwarze" Szene

Mal abgesehen von der recht unübersichtlichen und schwer zu verstehenden Regel, ist das Spiel gar nicht mal so schlecht. Irgendwie hat es etwas von Munchkin; wenn auch vielleicht dann doch nicht so viel, aber es wirkt immerhin so. Das Thema ist natürlich ein gänzlich anderes, so huscht man nicht durch dunkle Gewölbe, sondern versucht eine möglichst interessante WG zusammen zu bekommen, in der die skurrilsten Typen leben, aber auch nicht zu skurril, man die coolsten Klamotten einkauft und die wahnwitzigsten Freizeitbeschäftigungen begeht.

Als ich in der 9. Klasse war, hat sich ein guter Freund dem Ideal der Gruftis hingegeben. Robert Smith von "The Cure" war sein Vorbild und so kam er dann auch mit wilder Mähne und verschmiertem Lippenstift in die Schule. Egal welche Gründe er dafür hatte, die Reaktionen mancher Lehrer waren einfach nur peinlich. Wie dem auch sei, er wäre sicherlich ein großer Freund dieses Spieles gewesen, wenn es denn damals schon im Handel gewesen wäre. War es aber nicht. Mittlerweile nennt man die Anhänger dieser Lebensphilosophie nicht mehr Gruftis sondern Goths. Und dies ist ein Spiel über sie. Also, worum geht es genau?

Im Vordergrund steht das Bilden einer WG. Man versucht mit seinen Handkarten coole Typen in die WG zu bekommen, coole Jobs zu machen und noch coolere Aktivitäten durchzuführen. Wenn man dabei einen Einkaufsbummel macht, kommen auch noch irre coole Klamotten in den Kleiderschrank.
Im Zentrum stehen die sogenannten "Slackpunkte". "Slack" bedeutet so viel wie entspannt, cool drauf sein, locker. Jeder Charakter, und damit jeder Spieler, startet mit einer bestimmten Anzahl an diesen Punkten und einer speziellen Fähigkeit. Ziel ist es, Karten auszuspielen, die in der Summe der der Slackpunkte entspricht und damit das Spiel zu gewinnen. Da es sich um eine Minimalproduktion handelt, gibt es leider keine Slackpunkte im Spiel. Diese muss man zum Beispiel mit Würfeln oder Countern aus anderen Spielen oder auch 1-Cent-Stücken simulieren. Immer wenn man eine Aktion durchführt, die Slackpunkte bringt, darf man welche von seiner Charakterkarte, wo alle liegen, nehmen und auf die Karte legen. So wissen immer alle Spieler, was wer noch erreichen muss und welche Karten man vielleicht abwerben oder zerstören will.

Der Job generiert Einkommen, mit dem ich Gegenstände kaufen kann. Außerdem gibt er einen Freizeitwert vor, der die Anzahl der Aktionen angibt, die ich in der Freizeitphase durchführen kann. Am Anfang meiner Runde ziehe ich eine Karte vom Stapel und kann dann entsprechend meiner Freizeit Aktionen ausspielen. Es gibt Personenkarten, die ich in meine WG lege, wenn sie interessant sind und in eine andere WG, wenn sie den Besitzern schaden. Dinge kann ich kaufen, dafür geht eine Aktion drauf, dafür kann ich aber so viel kaufen, wie mein Geld reicht. Sparen kann man nicht. Schließlich gibt es für die Goths kein morgen, warum also Kohle auf die hohe Kante legen?
Orangefarbene Karten kann man jederzeit spielen, sie können auch zur Verteidigung gegen ungebetene Gäste helfen. Die roten Karten sind die normalen Aktionen, die ich in der Aktionsphase ausführen kann.

So gehen die Runden dahin, man spielt für sich gute Karten aus, für die anderen die schlechten und hofft möglichst Karten mit hohen Slackwerten zu ziehen. Das Spiel lebt natürlich davon, dass man den anderen Spielern das Leben schwer machen kann und selber auf der Sonnenseite, beziehungsweise der Schattenseite, des Lebens steht. Ein wenig wird der Spielfluss durch die vielen Texte auf den Karten gebremst, denn man muss schon alle Karten lesen, damit seine eigenen Entscheidungen die gewünschten Folgen haben. Die Charakterkarten, die man zu Beginn zugelost bekommt, sind sehr unterschiedlich, aber dennoch recht fair mit ihren Vor- oder Nachteilen.

Chez Goth ist ein lustiges Spiel, das natürlich mehr Spaß bringt mit Spielern, die sich dem Thema öffnen oder auch dem Thema näher stehen. Wer partout keine Lust hat sich diesem Thema zu widmen, sollte lieber zu anderen Kartenspielen greifen. Auch die Spielzeit ist sehr unterschiedlich, was davon abhängt, welche Karten man zieht. So hatten wir in einer Runde die empfohlene Zeit deutlich überschritten, was zu allgemeinem Missmut führte in einer anderen Runde wurde sie deutlich unterschritten. Die Grafiken und die Qualität der Karten liegt im Mittelfeld, schade ist, dass dem Spiel keine Counter für die Slackpunkte beiliegen. Und die Regel ist auch nicht gerade das, was man übersichtlich nennen würde.

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